Viren statt Antibiotika

Das zunehmende Auftreten von multiresistenten Mikroorganismen verringert immer mehr die Anzahl an Reserveantibiotika. Die Phagentherapie als Anwendung von Viren, die spezifisch Bakterien angreifen können, ist Gegenstand aktueller Forschung zur Entwicklung neuer Therapiemethode gegen multiresistente Keime.

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Wanted: Retter des Great Barrier Reefs

Ein Hilferuf geht um die Welt: Mit einer offenen Ausschreibung bietet die Australische Regierung zwei Millionen australische Dollar (rund 1,3 Millionen Euro) für Ideen zur Rettung des Great Barrier Reef. Das riesige Riffsystem vor der nordöstlichen Küste Australiens leidet wie viele andere Korallenriffe massiv unter der globalen Erwärmung und weiteren Umweltbelastungen. Der Aufruf gilt gleichzeitig als Fördermaßnahme für Unternehmen, deren Ideen weltweit Anwendung finden könnten. 2018 gilt als internationales Jahr des Riffs.

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Superfood = super gesund?

Was macht ein Lebensmittel zum Superfood? Muss es einen besonderen Inhaltsstoff enthalten oder anders als unsere herkömmlichen Lebensmittel sein? Oder reicht nur ein besonders hoher Gehalt eines oder mehrerer Nährstoffe? Eine offizielle fachliche oder rechtlich bindende Definition für Superfoods gibt es bisher nicht. Interessanterweise werden auf verschiedenen Kontinenten unterschiedliche Eingruppierungen in Sachen Superfood vorgenommen. So führen die Top 10-Liste in den USA Blaubeeren, Sardinen, Spinat, Pistazien und dunkle Schokolade an. In Deutschland hingegen finden sich Goji-­Beeren, Chia-Samen, Matcha-Tee und Mikroalgen auf ihr – also vor allem Lebensmittel, die nicht traditionell auf unserem Speiseplan stehen. Daher lohnt es, sich die Superfoods genauer anzusehen.

Acai-Beeren

Herkunft: unterschiedlichste Gebiete des Amazonas Pflanzenteile: Beeren der Kohlpalme Herausragender Nährstoff: Calcium 133–309 mg/100 g Beeren Gut zu wissen: Die dreifache Menge an Calcium liefern im Vergleich zur Acai-­Beere einhundert Gramm Hartkäse. Die Beeren verderben schnell. Sie enthalten 50 Prozent Fett und damit viele Kalorien. Studien über eine heilsame Wirkung erlauben keine belegbare Aussage zum Gesundheitsbezug, die in der Werbung verwendet werden darf.

Amaranth und Quinoa

Herkunft: Südamerika Pflanzenteile: Körner des Pseudogetreides. Pseudo weil es wie Getreide aussieht, aber botanisch keines ist. Gut zu wissen: Verwendet werden die Nüsschen als Salat, Suppeneinlage oder als Müslizutat. Die Körner sind besonders bei glutenfreier oder rein pflanzlicher Ernährung eine interessante Ergänzung, vor allem wegen des Eisengehaltes. Beide Getreide enthalten als Eigenschutz gegen Schädlinge bitter schmeckende Saponine. Deshalb sollten beide Pseudogetreide­sorten vor der Verwendung gründlich gewaschen werden.

Chia-Samen

Herkunft: Mittel- und Südamerika Pflanzenteile: Samen Gut zu wissen: Die kleinen Samen quellen mit Flüssigkeit vermengt zu einer gelartigen Masse auf, die sich als Alternative zu Eiklar verwenden lässt. Durch ihre Quellfähigkeit machen sie lange satt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt den Verzehr von maximal 15 Gramm unverarbeitete Chia-Samen pro Tag.

Goji-Beere

Herkunft: Ursprung Asien, aber auch bei uns zu finden Pflanzenteile: Früchte des Bocksdornbaumes Gut zu wissen: Bisherige Studien konnten keine nennenswerten positiven Gesundheitseffekte wie Antiaging oder Stärkung des Immunsystems belegen, so das Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat keine der beantragten Gesundheitsaussagen zugelassen. Die Inhaltsstoffe der Goji-Beere können den Abbau von Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung beeinflussen, sodass es zu einer erhöhten Blutungsneigung kommen kann.

Mehr Schein als Sein

Bei genauerer Betrachtung werden aus den meisten Superfoods doch eher nur Zutaten, die Abwechslung in die Küche bringen. Sie sind den traditionell verwendeten Lebensmitteln auch hinsichtlich Fragen der Gesundheit nicht überlegen. So basiert das oft angepriesene antioxidative Potenzial vieler Superfoods meist auf Ergebnissen von Studien an Zellkulturen. Und viele Ergebnisse relativieren sich durch die Bioverfügbarkeit. Diese liegt beispielsweise bei dem dunklen Pflanzenfarbstoff (Anthocyane) bei einem Prozent. Und für die antioxidative Wirkung benötigen wir auch keine Superfoods, da alle Pflanzen mit intensiven Farben, wie Heidelbeeren oder Brombeeren, sekundäre Pflanzenstoffe wie Carotinoide oder Flavonoide enthalten, denen eine antioxidative Wirkung nachgesagt wird. Angelika Severin
Superfood 02 2018 Titelbild
Download | Superfood

Bei dem Downloadmaterial handelt es sich um Material zum Blogbeitrag „Superfood = super gesund?“ – MINT Zirkel 2-2018. Den passenden Beitrag zum Material finden Sie hier.

Das Material beinhaltet eine alphabetische Auflistung und Auswahlliste verschiedener Superfoods, deren Herkunft und Eigenschaften.

Das Weltall in Bildern

Karten, Atlanten, Globen, Fotos sowie detaillierte Informationen zu den meisten Planetenmissionen schlummern im Fundus der Regional Planetary Image Facility (RPIF) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Diese Einrichtung der amerikanischen Weltraumorganisation NASA für den deutschsprachigen Raum sorgt dafür, dass viele Bilder von Raumfahrt und Planetenforschung für jedermann zugänglich sind.Continue reading

Ein Platz für junge Forscherinnen und Forscher

Hamburg hat ein neues Schülerforschungszentrum. In den Laboren und Werkstätten können Kinder und Jugendliche an eigenen wissenschaftlichen Projekten forschen. Die Besonderheit: Im Fokus stehen dabei vor allem naturwissenschaftliche Talente.

Im Arbeitsraum des Hamburger Schülerforschungszentrums herrscht an diesem frühen Nachmittag Denker-Stille. Drei Schüler beugen sich über einen Laptop und diskutieren im Flüsterton, alle anderen Nachwuchsforscherinnen und -forscher haben sich in die Labore und Werkstätten zurückgezogen. Wolfgang Fraedrich ordnet an einem der weißen Gruppentische Gesteinsproben. In wenigen Minuten beginnt sein Forscherkurs. Heute sollen Siebtklässler unterschiedliche Gesteinsstrukturen beschreiben und sortieren. „In meinen Forscherkursen möchte ich den Kindern Lust auf Wissenschaft machen. Dazu gehört am Anfang das genaue Beobachten und Beschreiben. Mittelfristig sollen sie natürlich auch eigene Ideen und Fragenstellungen entwickeln“, erklärt der Mittfünfziger mit dem weißen Schnauzer. Wenn er sich nicht um die Gesteinsforscher der Zukunft kümmert, unterrichtet er Geografie und Geologie an einem Hamburger Gymnasium. Die Förderung von MINT-Begeisterten ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Seit über 20 Jahren begleitet er „Jugend forscht“-Projekte an seiner Schule. Außerdem arbeitet er als Betreuer am neuen Schülerforschungszentrum in Hamburg. Die Einrichtung wird von verschiedenen Stiftungen und Hochschulen der Stadt getragen. 4,8 Millionen Euro kostete der Umbau eines ehemaligen Kaffeegeschäfts samt Erstausstattung, das Geld sichert außerdem den Betrieb für die nächsten zehn Jahre.

Vielfältige Projekte und Möglichkeiten

Aus Sicht von Leiter Thomas Garl ist das Geld gut investiert. „Wir kümmern uns hier vor allem um Kinder und Jugendliche, die sich für Naturwissenschaften, Technik und Informatik begeistern. Bei uns haben sie die Möglichkeit sich auszutoben und eigenen Forschungsprojekten nachzugehen“, erklärt der Physiker. Er sieht das Schülerforschungszentrum auch als eine spannende (und kostenlose) Alternative zum Fußballverein oder dem Orchester. Interessierten Nachwuchs­tüft­lerinnen und -tüftlern wird auf den 600 Quadratmetern einiges geboten. Zum Beispiel erfüllt das Chemie- und Biologielabor den Sicherheitsstandard S1 und ermöglicht damit kleinere Experimente zur Gentechnik. Außerdem gibt es eine Dunkelkammer zum Pflanzenwachstum, Arbeitsplätze für Elektro-Arbeiten oder einen 3D-Drucker. Bei den Kindern und Jugendlichen kommt das neue Angebot gut an, besonders jene aus den Forscher-­AGs oder mit Ideen für eigene „Jugend-­forscht“-­Projekte kommen gerne in das Forschungszentrum. Betreut werden sie von insgesamt elf MINT-Lehrkräften. Für ihre pädagogische Arbeit haben diese eine Abordnung von ihren Schulen.

Auch Fraedrich betreut zwei ziemlich ambitionierte Forschungsprojekte. So widmen sich drei Siebtklässler der prähistorischen Klimaentwicklung. In einem Braunkohlebergbau südlich von Helmstedt haben sie dafür Gesteinsproben gesichert. Darin verstecken sich 50 Millionen Jahre alten Pflanzenreste. Im Chemielabor des Forschungszentrums und mithilfe des Elektronenmikroskops des Zoologischen Instituts der Universität Hamburg untersuchen die Schülerinnen und Schüler nun die prähistorischen Pflanzen und zeichnen das Klima der Erde vor 50 Millionen Jahren nach.

Ein ähnliches Ziel hat auch das zweite Projekt. Ein Oberstufenschüler untersucht dabei ein besonderes Gesteinsvorkommen in einer stillgelegten Kalkgrube südöstlich von Elmshorn. In den Schichten aus Braunkohle und verschiedenen Sanden finden sich allerlei Pollen – einige sind bis zu 1,7 Millionen Jahre alt. Die Erkenntnisse über die prähistorische Flora lassen sich mit der heutigen Vegetation vergleichen und es lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen, welches Klima damals herrschte.

Kooperation Wissenschaft und Schule

An ihren Schulen wären vergleichbare Projekte kaum möglich. „Wir profitieren sehr von der Kooperation mit der Wissenschaft. Nicht nur wegen der technischen Unterstützung, die Schülerinnen und Schüler erleben so aus erster Hand wie Forschung im Alltag aussieht“, erklärt Fraedrich. Mit seinen Nachwuchsforscherinnen und -forschern besucht er deshalb regelmäßig die Geolabore der Uni Hamburg. Dabei haben sie auch die Gelegenheit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über ihre Erkenntnisse zu sprechen. In Zukunft will man solche Kooperationen in Hamburg weiter ausbauen. „Die Wissenschaftler könnten uns zum Beispiel helfen, wenn die Forschungsfragen der Schülerinnen und Schüler unseren eigenen Wissenshorizont übersteigen“, sagt Garl. Auch regelmäßige Veranstaltungen mit jungen Forscherinnen und Forschern seien in Planung – zum Beispiel Vorträge zu aktuellen Wissenschaftsthemen oder Informationen zu interessanten Studiengängen.

Birk Grüling

Kooperationen mit Hochschulen

Fast alle Hochschulen kümmern sich inzwischen aktiv um Kooperationen mit Schulen. Studierende leiten Robotik-­AGs, mit Labor-Tagen oder eigenen Schülerforschungszentren soll die Neugier für naturwissenschaftliche und technischen Studiengänge geweckt werden. Neben diesen „offiziellen“ Wegen suchen auch zahlreiche Fachlehrkräfte den Austausch mit der Wissenschaft. Gerade bei „Jugend forscht“ gilt der Anschluss an eine Hochschule oder an ein Forschungszentrum als gute Voraussetzung für den Erfolg beim Bundeswettbewerb.

Weitere Informationen

Detaillierte Informationen zum Schüler­forschungszentrum Hamburg finden Sie unter www.sfz-hamburg.de

Mehr Informationen zu Schülerlaboren:
www.lernortlabor.de
www.schuelerlabor-atlas.de
www.komm-mach-mint.de

Spazieren gehen für die Wissenschaft

Schmetterlinge mag eigentlich jeder Mensch. Sie sind beliebt und ein Sinnbild für Sommer, Leichtigkeit und Schönheit. Man findet sie nicht nur im Original in der freien Natur, sondern auch auf Werbeprospekten, als Tattoos oder als Logo für unterschiedliche Produkte. Gleichzeitig sind Schmetterlinge auch in der Wissenschaft – und hier besonders in der Ökologie – sehr beliebt, da sie bei bestimmten Fragestellungen als Indikatoren (= Zeiger­arten) herangezogen werden können.

Weil Schmetterlinge so beliebt sind, sind viele Menschen bereit, sich für ihren Schutz einzusetzen und sich an Zählaktionen zu beteiligen. In Deutschland gibt es dazu die Möglichkeit, sich an dem Projekt „Tagfalter-Monitoring Deutschland“ zu beteiligen. In diesem sogenannten „Citizen-Science-Projekt“ zählen ehrenamtliche Schmetterlingsfreundinnen und -freunde jedes Jahr auf den gleichen Strecken von April bis September einmal wöchentlich Schmetterlinge.

Die erhobenen Daten werden am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ in Halle gesammelt und ausgewertet. Unter „Citizen Science“, oder auf Deutsch etwas sperrig „Bürger-Wissenschaften“, versteht man Projekte, bei denen alle die Möglichkeit haben, die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu unterstützen und so neue Erkenntnisse zu gewinnen. In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche Projekte mit Bürgerbeteiligung, so kann man beispielsweise den Sternenhimmel beobachten, Mücken zählen, Kunstwerke beschreiben oder eben auch Schmetterlinge zählen. Einen guten Überblick über diese „Citizen-Science-­Projekte“ gibt die Webseite www.buergerschaffenwissen.de.

Daten sind die Basis für die Wissenschaft

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projektes „Tagfalter-Monitoring Deutschland“ nehmen an dem Projekt teil, weil sie den Eindruck haben, dass es in ihrer Jugend viel mehr Schmetterlinge gab. Nun möchten sie erfahren, warum das so ist und zum Schutz der Arten beitragen. Ein standardisiertes Monitoring ist hier eine gute Methode, um festzustellen ob, und wenn ja, in welchem Umfang die Arten zurückgegangen sind. Daten, die über einen langen Zeitraum und möglichst immer an den gleichen Stellen erhoben wurden, bilden die Basis für fundierte wissenschaftliche Auswertungen. Sie geben Auskunft darüber, wie sich die Bestände entwickelt haben und können mit anderen Langzeitdaten (z. B. Klimadaten, Daten zum Landnutzungswandel) in Zusammenhang gebracht werden. Will man die Arten effektiv schützen, so ist es wichtig zu verstehen, welche Faktoren sie bedrohen oder auch begünstigen. Zur Erhebung der Daten kann jeder beitragen, ganz einfach, indem man „spazieren geht“ und dabei die Schmetterlinge notiert, die man sieht.

Tagfalter und Nachtfalter

Aber zurück zu den Schmetterlingen. In der Biologie unterscheidet man zwischen Tag- und Nachtfaltern. Tagfalter sind die meist großen und bunten Schmetterlinge, die tagsüber im Garten oder auf den Wiesen fliegen. In Deutschland unterscheidet man 140 verschiedene Tagfalter-Arten. Die Gruppe der Nachtfalter ist dagegen deutlich größer, es gibt ca. 3.600 verschieden Arten, die zu ganz unterschiedlichen systematischen Gruppen gehören. Meist spricht man hier von Motten, aber es gibt auch große Schwärmer-Arten, winzig kleine Zünsler- oder bunte Eulenfalter-­Arten. Die meisten sind nachtaktiv, aber es gibt auch einige tagaktive Nachtfalter.

 

Abb. 1: Fühler der Tagfalter mit der klassischen keulenförmigen Verdickung © Erk Dallmeyer

 

Die Einteilung der Falterarten in die verschiedenen Gruppen erfolgt anhand der biologischen Systematik. Die Arten werden danach eingeteilt, wie ähnlich sie sich äußerlich (morphologisch), innerlich (anatomisch) sowie hinsichtlich ihrer Entwicklung (ontogenetisch) sind. Um Tag- von Nachtfaltern unterscheiden zu können, gibt es ein einfaches Merkmal. Alle Tagfalter haben Fühler, deren Enden keulenförmig verdickt sind (siehe Abb. 1). Die Fühler von Nachtfaltern können ganz unterschiedlich aussehen, zum Beispiel fadenförmig, fächerförmig, sehr lang oder sehr kurz, aber nie mit verdickten Füh­­ler­enden (siehe Abb. 2). Die Gruppe der Tagfalter ist also überschaubar und deshalb sehr gut für ein „Citizen-­Science-­Projekt“ geeignet. Zudem gibt es gute Bestimmungsbücher, auch Anfänger können sich so relativ schnell die Kenntnis der Arten aneignen.

 

Fuehler-Nachtfalter

Abb. 2: Fühler der Nachtfalter sind nie keulenförmig verdickt © Rosemarie Kappler

 

Tagfalter zählen für die Wissenschaft

Für die Ökologie sind Tagfalter deshalb so interessant, weil sie gute Indikatorarten sind. Ihre An- oder Abwesenheit auf einer Fläche kann Zeiger dafür sein, wie es insgesamt mit der Biodiversität (= Artenvielfalt) der Fläche bestellt ist. Theoretisch könnte man auch andere Insekten als Indikatorarten verwenden. Auch Käfer, Zikaden oder Wanzen wären dazu gut geeignet. Diese Arten sind jedoch viel schwieriger zu bestimmen als Tagfalter und bei weitem nicht so beliebt wie die bunten Frühlingsboten.

Die im Tagfalter-Monitoring gesammelten Daten geben der Wissenschaft wichtige Hinweise darauf, wie sich die Zahl der Falter über die Jahre hinweg entwickelt. Ist es tatsächlich so, dass Schmetterlinge immer seltener werden? Und wenn ja, warum ist das so? Die ersten Ergebnisse des Tagfalter-Monitorings zeigen, dass sich einzelne Tagfalter-Arten ganz unterschiedlich entwickeln. Es gibt Arten, die seltener geworden sind, es gibt aber auch einige, deren Bestände stabil geblieben sind und einige wenige Arten sind mittlerweile tatsächlich häufiger. Allerdings werden erst seit 2005 Tagfalter in Deutschland systematisch gezählt und es ist sehr wahrscheinlich, dass der stärkste Rückgang bereits viele Jahre vorher stattgefunden hat. Vergleicht man historische Beschreibungen von Schmetterlingskundlern aus dem 19. Jahrhundert mit der heutigen Situation, so sind manche der damaligen Beschreibungen heute unvorstellbar. Man findet Beschreibungen von „Wolken von Schmetterlingen“ und heute extrem seltene Arten werden als „überall häufig“ beschrieben.

 

Abb. 3: Der Zitronenfalter ist einer der ersten Tagfalter, den man im Frühjahr beobachten kann © Joachim Müncheberg

Der Rückgang der Insekten ist dramatisch

Aber nicht nur die Tagfalter werden seltener, sondern die Insekten insgesamt. Dies belegt eine Studie, bei der Entomologen (= Insektenkundler) über 27 Jahre hinweg in ihrer Freizeit Insektenfallen an verschiedenen Orten in Deutschland aufgestellt und die gefangenen Insekten ausgewertet haben. Sie konnten zeigen, dass die Biomasse der Fluginsekten in den Fallen, also alle in den Fallen gefangene Tiere zusammengefasst, deutlich abgenommen hat. Insgesamt konnten sie nach 27 Jahren mehr als 75 Prozent weniger Biomasse in den Fallen nachweisen, ein dramatischer Rückgang. Nun mag der eine oder die andere denken, dass es doch gar nicht so schlecht ist, wenn es im Sommer zum Beispiel weniger Mücken oder Wespen gibt.

Insekten sind jedoch die artenreichste Tiergruppe und einer der Grundpfeiler unseres Ökosystems. Sie dienen zahlreichen anderen Tierarten (Vögel, Fledermäuse, Frösche …) als Nahrung und sie bestäuben viele Pflanzen. Fehlen also die Insekten, so fehlen bald auch viele andere Tier- und Pflanzenarten. Für den Menschen wird insbesondere das Fehlen von bestäubenden Insekten eine enorme Auswirkung haben. Denn viele Pflanzen, die unsere Ernährung sichern, werden von Insekten bestäubt.

Warum werden Insekten immer seltener?

Warum die Zahl der Insekten in den letzten Jahrzehnten so stark zurückgegangen ist, konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch nicht eindeutig erklären. Dazu fehlen ihnen einfach die Daten. Eine Reihe von Faktoren sind möglich wie zum Beispiel der Einsatz von Pestiziden und Dünger, die aktuelle Landnutzung und die Veränderung der Landnutzung über die Jahrzehnte hinweg oder der Klima­wandel. Wissenschaftliche Analysen können jedoch nur für Faktoren gemacht werden, für die ausreichend Daten vorliegen. Es scheint sehr wahrscheinlich, dass Klima­wandel und Land­nut­zungs­än­de­run­gen zwar auch Auswirkungen auf die Insekten­bestände haben, der entscheidende Faktor für den Rückgang jedoch der großflächige Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft sowie eine Über­dün­gung der Flächen ist. Hier konnten bislang leider nur Korrelationen und (noch) keine Kausalitäten belegt werden. Korrelationen zeigen an, ob zwei Faktoren sich gemeinsam verändern. Ob es jedoch Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren gibt, ist damit noch nicht gesagt.

Der Einfluss des Klimawandels auf die Tagfalter

Auch wenn in den Medien manchmal der Eindruck entsteht, dass es immer noch unsicher ist, ob es menschengemachten Klimawandel überhaupt gibt, so ist dies doch für mehr als 90 Prozent der Expertinnen und Experten, die sich mit diesem Thema beschäftigen, ein Fakt. Durch den erhöhten Ausstoß von Kohlendioxid hat sich unsere Atmosphäre in den letzten Jahrzehnten rapide erwärmt und die Erwärmung fand in einem viel kürzeren Zeitraum und deutlich stärker statt als jemals zuvor in der Geschichte. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Tiere und Pflanzen. Ökologinnen und Ökologen haben zur Ermittlung dieser Auswirkungen einen Index entwickelt. Der CTI (= Community Temperature Index) wurde zunächst für Vögel, dann aber auch für Tagfalter und andere Tierarten berechnet. Die Berechnung erfolgt, indem für jede Art zunächst der STI (= Species Temperature Index) errechnet wird. Bei den Tagfaltern schaut man sich hier die Verbreitung der Art an und die durchschnittliche Temperatur in dem Verbreitungsgebiet. Dazu wird ein Raster über das Verbreitungsgebiet einer Art gelegt und anhand von Klimadaten die durchschnittliche Temperatur der Kartenraster errechnet, in denen diese Art vorkommt. Für jede Art ergibt sich also ein durchschnittlicher Temperaturwert (STI).

 

KlimatischeSchuld

Abb. 4: Die Folgen dieses Effektes sind derzeit noch nicht abzusehen

 

Dann schaut man sich die Artgemeinschaft in einem bestimmten Gebiet an und ermittelt den durchschnittlichen Wert des STI für alle anwesenden Arten (CTI). Der so errechnete CTI wird dann über mehrere Jahre hinweg für die Artengemeinschaft errechnet und ermöglicht Aussagen dazu, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß sich die Artengemeinschaft verändert hat. So konnte gezeigt werden, dass sich wärmeliebende Tagfalterarten in Europa immer weiter nach Norden ausbreiten. Ein großes Problem tritt hier jedoch auf. Die durchschnittliche Temperatur Richtung Norden erhöht sich pro Jahr schneller als die Tiere hinterher wandern können (klimatische Schuld).

Elisabeth Kühn

Weitere Informationen

Linktipps
Das Projekt „Tagfalter-Monitoring Deutschland“ ist ein „Citizen-Science-­Projekt“, bei dem jeder mitmachen kann.
www.tagfalter-monitoring.de

Die Lernsoftware PRONAS (PROjektionen der NAtur für Schulen) vermittelt For­schungs­ergeb­nisse zum Einfluss des Klima­wandels auf die biologische Viel­falt. Diese basieren auf dem vom UFZ koordinierten internationalen Forschungsprogramm ALARM (A LArge scale Risk assessment for biodiversity with tested Methods).
www.alarmproject.net
www.ufz.de/pronas-lernsoftware

Unterrichtsmaterialien zur Lernsoftware PRONAS finden Sie hier: www.bit.ly/2F699R2

Literatur
Devictor et al. (2012): Differences in the climatic debts of birds and butterflies at a continental scale. Nature Climate Change 2.2, 121–124.
Hallmann et al. (2017): More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLOS ONE.

Die Entdeckung der Gravitationswellen

Am 14. September 2015 erschien auf einem Computermonitor in Hannover eine automatisch verschickte E-Mail. Sie stammte vom Detektorsystem LIGO in den USA und enthielt eine wissenschaftliche Sensation: Ausgeklügelte Algorithmen hatten das erste jemals direkt gemessene Signal einer Gravitationswelle erfasst! Continue reading