Kein Zweifel: Obgleich gerade einmal 300.000 Jahre alt und mithin eine Eintagsfliege der kosmischen wie der organismischen Evolution, sind wir zugleich eine der erfolgreichsten Spezies, die je die Erde besiedelten. Derzeit sind wir mehr als 7,9 Milliarden Menschen; jährlich kommen 80 Millionen hinzu, was in etwa der Bevölkerung Deutschlands entspricht. Bis Mitte des Jahrhunderts dürften wir laut aktueller Prognosen knapp neun Milliarden Menschen sein, bis 2100 könnten es bereits elf Milliarden sein. Elf Milliarden Menschen mit legitimen Ansprüchen an Nahrung und mit ökonomischen Aktivitäten. Dank dieses exponentiell steigenden Bevölkerungswachstums und durch unseren rasant wachsenden Ressourcenverbrauch sowie unsere nicht nachhaltige Art zu wirtschaften, ist der Mensch zum entscheidenden Evolutionsfaktor auf diesem Planeten geworden. Wir manipulieren dabei nicht nur die Geosphäre, wir dominieren auch die Biosphäre. Doch mit unserem enormen ökologischen Fußabdruck bringen wir die Erde an ihre planetaren Grenzen.
Eine der bisher oft übersehenen Signaturen des Anthropozäns, also der Menschenzeit, ist die „biological annihilation“ – die Auslöschung des Lebens. Neben „deforestation“, der globalen Entwaldung, ist „defaunation“, die Entleerung der Tierwelt, das markanteste Zeichen für unsere verheerende Lage. Mehr als eine Million Arten an Tieren und Pflanzen, so warnt der Weltbiodiversitätsrat IPBES, würden in den kommenden Jahrzehnten aussterben. Biosystematiker*innen haben in den vergangenen 250 Jahren gerade einmal 1,9 Millionen Arten beschrieben – von schätzungsweise etwa acht oder neun Millionen Arten insgesamt. Bemerkt wird bislang meist nur das Verschwinden einiger weniger charismatischer Arten – gleichsam den Flaggschiffen des Naturschutzes: Elefant, Eisbär und Tiger, um nur einige zu nennen. Zur Zeit von Rudyard Kiplings Dschungelbuch und seines Shir Khans gab es noch um die 100.000 Tiger, heute sind es kaum mehr als 4000 frei lebende, ihr Verbreitungsgebiet schrumpft und Wilderei setzt ihnen weiterhin zu. Bali-, Java- und Südchinesischer Tiger sind bereits ausgestorben – und mit ihnen seit 1900 mehr als 500 weitere Wirbeltierarten. Noch einmal knapp 500 dieser Arten werden bis 2050 dazukommen.